40 Minuten Horrorshow vs. 20 Minuten Feuerwerk

Der hohe Norden scheint in diesem Jahr kein sonderlich angenehmes Pflaster für unsere Jungs zu sein – bereits zum zweiten Mal reist „nur“ ein Pünktchen mit nach Leipzig – wie dieser allerdings zu Stande kam, ist schon fast sensationell.

ETV Piranhhas Hamburg vs. MFBC Leipzig 10:9 n.V. (4:0, 5:3, 0:6, 1:0)
Samstag, 28.10.2017 – 18.00 Uhr – Sporthalle Hoheluft, Hamburg

Dass 60 Minuten im „Piranhha“-Becken am Ende nicht für einen Siegerjubel ausreichen würden, hatte einen ganz einfachen Grund – je zwei völlig verschiedene Gesichter auf beiden Seiten des Feldes. Konstanz Fehlanzeige – im mittlerweile sechsten Saisonspiel zeigten beide Teams wohl zugleich ihre Beste als auch ihre schlechteste Saisonleistung – irgendwie irreal, irgendwie gruselig, irgendwie doch schon ein bisschen geil, irgendwie Bundesliga 17/18…

Unser Coach Mattias Persson kann in Hamburg (Anreise verlief trotz Herwart entspannt) auf 13 Akteure plus Lubentsov zurückgreifen und startet mit zwei Verteidigerduos und drei Angriffslinien. Eigentlich recht vielversprechend um das gewohnte Spiel durchsetzen zu können. Aber was sah man da in der Hoheluft-Sporthalle? Eine äußerst müde und behäbige Performance unseres MFBC, zahlreiche Zweikampfverluste und wenig Glück bei den eigenen Angriffsbemühungen. Die Gastgeber aus Hamburg saugten unseren Jungs mit gutem, kontrolliertem Spiel und Ballbewegungen förmlich die Lust am Spiel aus. Per Doppelschlag (10.) durch Alt-Nationalspieler Stüble und Youngster Durasi geht Hamburg in Führung und baut sukzessive weiter auf 4:0 (13., 17.) aus. Allzu viel Positives war aus unserer Sicht auch unter der Lupe einfach nicht zu erkennen. Insbesondere Daniel Luderer hatte heute einen gebrauchten Tag erwischt, allerdings konnte man zweifellos jedem Einzelnen mit erhobenem Zeigefinger Unmengen an Konzentrationsmängel vorwerfen. Zwar überzeugte Hamburg nicht durch übermäßig viel Ballbesitz, allerdings zeigten sie sich gnadenlos im Ausnutzen ihrer „auf dem Silbertablett gereichten“ Kontersituationen.

Dass selbst dieser Rückstand zu Beginn des zweiten Spielabschnittes fühlbar keine große Änderung in den „Dick“Köpfen der MFBCler herbeiführte, ließ dann schon immer größere Fragezeichen aufkommen. Persson reagierte mit einer Reihenumstellung, ersetzte Luderer durch Novotný in der Verteidigung, gönnte Schönnagel und Saß eine Pause und übergab Laufass Kunert das Zepter in Reihe 2. Von Backchecking war dennoch keine Rede, wenn Hamburg ein ums andere Mal nach Ballgewinn auf Lubentsov zu marschierte. Kein Wunder also, dass Kühl recht zügig auf 5:0 (24.) stellen kann. Eben angesprochener Michael Kunert, der laut Mitspieler Kanta als Einziger eine nahezu tadellose Leistung in seinem erst 6. Bundesligaspiel zeigte, lässt den MFBC-Tross Durchatmen. Mit seinem ersten Saisontor (24.) bestätigt er seine ansteigende Form und dass er sich mehr und mehr vom Regionalliga- auf das Bundesliganiveau einzustellen bereit ist. Die Freude währte nicht lang, als Bohls nur 3 Minuten später auf 6:1 stellt, zieht Persson die Reißleine und nimmt die Auszeit. Fortan wirkt sein Team etwas aufgeweckter und schafft es in Person von Otto Fält doppelt zu verkürzen (30., 37.). Die Druckphase der Gäste beantwortet Hamburg dann aber mit deprimierender Leichtigkeit. Als hätten sie unsere Jungs mal kurz den kleinen Finger gereicht, um etwas Morgenluft zu wittern, verteilen sie 3 scheppernde Ohrfeigen in der letzten Spielminute des zweiten Drittels. Gladigau, Riedel und Durasi ballern innerhalb von 58 Sekunden drei Mal ins Netz. Spiel verloren, schlecht gespielt, glücklos im Abschluss – versagt und am Tiefpunkt.

Minutenlanger Stille in der Kabine vorm dritten Spielabschnitt folgte schlussendlich ein gemeinsamer Konsens … Ergebnis bewusst werden lassen und dann einfach nur Spaß am Floorball haben und leidenschaftlich aufspielen. Zu verlieren gab es ohnehin nichts mehr. Also wieder raus da und Spaß haben.

 

In Lubentsovs Worten zusammengefasst, folgte „der absolute Hammer“. Aus Spaß und Lockerheit wurde eine Aufholjagd par excellence. „Was auch immer da passiert ist, wir haben gesehen, zu was wir in der Lage sind.“ Angestachelt durch Erik Schuschwary, der sich an ähnliche Erfahrungen aus Nationalmannschaft, Dresden und Chemnitz klammerte, ging ein Ruck durch die Mannschaft. Alles Unglück der vergangenen 40 Minuten schien durch Herwart aus den Köpfen unserer Männer, ja wir bezeichnen sie wieder als Männer, gepustet worden zu sein. Patzold mit dem 9:4 (42.) und Fält zum Dritten an diesem Abend (45.) ließen den Glauben an ein vernünftiges Ergebnis wachsen. Und Hamburg? Hamburg schien die aus dem Nichts entstandene Wandlung der Gäste zu lähmen. Was zuvor gelang, war nun Makulatur. Jakob Bohls kassiert dann auch noch eine Strafe, die Schuschwary in der 50. Minute zum 9:6 nutzen kann.

Da waren es nur noch 3 Gegentore und über 10 Minuten auf der Uhr. Der ETV fing sich die nächsten 5 Spielminuten noch einmal, ehe der Deich dann so richtig durchbrach. Lubentsov entschärft mehrere Hundertprozentige und schraubt das Team-Adrenalin weiter in die Höhe. Schönnagel zum 9:7 (56.) und ein doppelter Hoppe (57., 58.) stellen auf den niemals für möglich gehaltenen Ausgleich. Auf der Bank des MFBC bricht fassungsloser Jubel aus. Gegner, Zuschauer und Schiedsrichter wussten gar nicht wie ihnen geschah. Die Krönung blieb dann allerdings doch versagt, als Otto Fält gleich zweimal die Möglichkeit auf der Kelle hatte im 1 vs. 0 auf Hamburgs Goalie und Landsmann Kursula nicht auf Sieg stellen konnte. Als dann nach 60 Minuten die Hallensirene erklang, wusste man, dass man hier eine unfassbare Leistung abgerufen hatte – schlichtweg aus Spaß am Spiel und dem Glauben an die Mannschaft.

Die Overtime offenbarte dann, dass individuelle Fehler ein Floorballspiel entscheiden – wer seine eigenen Chancen nicht nutzt, braucht dann hinten nur einen einzigen Katastrophenpass um sich dafür zu bestrafen. Wenzel Flemmig verbumfidelt einen ganz sicheren Ball in der eigenen Ecke und Simon von Kroge sagt erleichtert „Danke für den zweiten Punkt“. Schluss aus Ende.

Was bleibt aus diesem Spiel außer einem hart erkämpften Punkt mitzunehmen? Sicher die Erkenntnis, dass ohne Kopf und Leidenschaft nichts und wieder nichts zu holen ist. Aber auch ein Einblick in das schlummernde Potential in jedem einzelnen Spieler und der Mannschaft – einen solchen Rausch gab es seit langem nicht mehr zu beobachten – möge diese Mannschaft diese Erfahrung noch lange Zeit in sich tragen.

Headcoach Persson zum Spiel „Ich gehe am Ende eines derart verrückten Spiels mit gemischten Gefühlen heraus. Wir gewinnen zwar sensationell noch einen Punkt, der uns endlich wieder langersehnte Glücksgefühle beschert, bereitet uns aber gleichzeitig die zwei ersten Drittel ordentlich Kopfzerbrechen. Ich habe irgendwo in meinem Innersten allerdings lieber einen Punkt und unsere Probleme als zwei Punkte und den Verlust eines Sechs-Tore-Vorsprungs. Leider „entledigten“ wir uns am Ende dann wegen des einzigen Aussetzers in den letzten 25 Spielminuten des Zusatzpunktes.“

Spielbericht:
https://fvd.saisonmanager.de/index.php?seite=game&game=9845

Highlightvideo MFBC:
https://www.youtube.com/watch?v=zqsnE1LNFGo&feature=youtu.be

Hinweis nächstes Pokalspiel:
MFBC Leipzig vs. USV TU Dresden (3.Runde)
Sonntag, 12.11.2017 – 13.00 Uhr – Muldentalhalle, Grimma
(um 16.00 Uhr findet das 1.Rundenmatch der Damen statt)

Hinweis nächstes Bundesligaspiel:
MFBC Leipzig vs. Red Hocks Kaufering
Sonntag, 19.11.2017 – 16.00 Uhr – Sporthalle am Rabet, Leipzig

mfbc

Vielleicht gefällt dir auch

Unsere Archiv-Homepage verwendet Cookies und eingebettete Inhalte. Bitte beachtet, dass diese Seite nicht mehr aktiv gepflegt wird. Aktuelle MFBC News auf floorball-mfbc.de Weitere Informationen dazu und wie wir Eure Daten verwenden.

Die Cookie-Einstellungen auf dieser Website sind auf "Cookies zulassen" eingestellt, um das beste Surferlebnis zu ermöglichen. Wenn du diese Website ohne Änderung der Cookie-Einstellungen verwendest oder auf "Akzeptieren" klickst, erklärst du sich damit einverstanden.

Schließen