Trainerdiskussionen – Teil 3: „In Grimma nichts Neues.“

 Wie war doch die Einleitung zu unserer Rubrik „Trainerdiskussionen“?

Das Trainersein ist nicht immer schön und vor allem schon gar nicht leicht – schon viele sind an derartigen Aufgaben verschlissen. In Deutschlands Floorballlandschaft existiert nahezu kein Trainermarkt. Der MFBC hat schon so einige Varianten ausprobiert – von externen Lösungen über ehemalige Nationaltrainer, tschechische Spielertrainer, jung oder alt, weiblich oder männlich . . . . Wie geht es nun also auf der wichtigsten Position . . . . Wer will das? Trainer einer Mannschaft sein, die es bestens versteht alle Höhen und Tiefen während nur einer Saison zu durchleben? Wer will so etwas unbezahlt und freiwillig über sich ergehen lassen? Wer tut sich sowas an? . . . .“

Bei den Herren der(Floorball-) Schöpfung verfällt man immer mal in Schockstarre, wie es denn nun weiter gehen mag. Die neue Saison steht an und alles soll (muss) besser werden. Wer soll (muss) es richten – der Trainer. In Teil 1 und 2 unserer kleinen Rubrik wurde einiges aus dem berühmten Nähkästchen verplaudert und die Erkenntnis gewonnen, dass mit der Unterschrift von Mattias Persson nicht nur der Assistent zum Chef wurde, sondern damit auf Kontinuität auf dem Chefsessel gesetzt wird. Geht der Herrentrainer in seine dritte Saison wird der Damenhäuptling Ralf Kühne im kommenden Jahr sein Zehnjähriges und der andere Chefindianer Marcus Linke sein Siebenjähriges feiern. Ja, wer will so etwas unbezahlt und freiwillig machen? Warum tut man sich so etwas an? Von dem wohl „schwergewichtigsten“ Trainerduo in Deutschland soll dazu diesmal Marcus Linke zu Wort kommen.

MFBC: Marcus, macht es eigentlich Spaß jedes Jahr wieder in den Finalspielen auf die Mädels aus der verbotenen Stadt zu treffen?

Verbotene Stadt? Na ja, aber in Weißenfels wird eine sehr gute Arbeit abgeliefert. Es ist doch auch unser Anspruch, uns mit den Besten zu messen. Das trifft sicherlich nicht nur auf die Grimmaer Mädels sondern auch auf unsere Herren zu. Und in all diesen Jahren fiebert man dann natürlich solchen Spielen entgegen. Da geht es um alles und leider haben wir nicht so oft wie ich es mir gewünscht hätte, einen Pokal in die Luft gestemmt. Ja, es macht Spaß auf Weißenfels zu treffen.

MFBC: Die Saison ist zu Ende. Wie fällt Dein Resümee aus?

Die Saison muss man in zwei Abschnitten sehen, vor dem Europapokal und nach dem Europapokal.

MFBC: Fangen wir mit „vor dem Europapokal“ an. Was ist das 135Resümee dazu?

Der Titel im letzten Jahr war Balsam auf die Wunden verlorener Finalspiele seit dem Jahr 2010. Auch wenn wir die Premiere des ersten Final4 der Damen in Ingolstadt 2011 für uns entscheiden konnten, so ist doch die Meisterschaft als noch etwas wertiger anzusehen. Mit dem Gewinn der Meisterschaft steht der Weg nach Europa offen. Deshalb stand zuerst die Vorbereitung auf den Europapokal in Lettland im Fokus. Wir wollten mit der besten Mannschaft dorthin fahren und sehen, wie weit wir kommen. Aber dann schlug das Leben zu: Unsere Kapitänin Sonja Dietel schwanger, unsere Siegtorschützin Sophie Kühne erlitt im letzten Testspiel einen Kreuzbandriss, unsere Torgarantin Anne-Marie Mietz bekam nicht frei, Lena-Marie Lübker auf Weltreise, unser jetziges Verteidigerduo Sabine Wagner und Laura Naumann musste wegen des Studium zu Hause bleiben. Das wir dann im ersten Spiel gegen FK Kekava (LAT) erst im Penaltyschiessen unterlegen waren, wurde mit Staunen zur Kenntnis genommen. Mit einem Sieg hätten wir das Halbfinale erreicht und ich denke, mit allen Frauen an Bord sowieso. Am Ende reisten mit den beiden U-19 Nationalspielerinnen Vanessa Weikum und Anna Brauckmann zwei Spielerinnen wegen Familienurlaub noch vorzeitig ab, so dass das letzte Match gegen CDE El Valle (ESP) nur mit 3:0 gewonnen wurde. Aber für alle die mit dabei waren eine tolle Erfahrung. Danach hagelte es in der Verbandsliga der Herren nur Niederlagen.

MFBC: Die Restsaison war also schwierig?

Schon in unserer Meistersaison wollten kein Damenteam mehr gegen uns oder Weißenfels spielen. Schade, denn nur ein Messen mit den besten Damenteams bringt die anderen auch weiter. Nach dem Europaabenteuer haben noch Susanne Straßburger, Lisa Merle Entelmann und Sophie Kühne endgültig ihr MFBC-Trikot abgegeben. Sonja Dietel blieb schwanger, denn das dauert bekanntlich. Und am Ende der Saison hat sich dann noch Susann Schiller „schwanger gemeldet“. Also hatten wir uns im Trainerstab auf ein Übergangsjahr verständigt. Wir wollten das Finale um die Deutsche Meisterschaft erreichen und die Pokalendrunde Final4. Allerdings hängt man im Pokal immer vom Losglück ab. Ich denke, dass viele gehofft haben, dass wir irgendwann vor dem Finale auf Weißenfels treffen. Also ging es mit der Verbandsliga Herren weiter. Wir konnten oftmals lange Zeit mitspielen, um Ende doch immer als Verlierer das Feld zu verlassen. Auch die Relegationsspiele für die Halbfinals um die Deutsche Meisterschaft haben wir gegen Weißenfels deutlich verloren. Aber Stück für Stück haben wir leistungsmäßig aufgeholt. Die Mädels haben sich gesteigert. Wie stabil wir am Ende doch waren, zeigte sich im Halbfinale gegen Hamburg. Wir wollten zeigen, dass wir trotz des Aderlasses zumindest Nummer 2 in Deutschland sind. Dann diese Niederlage nach einer Führung mit vier Toren. Das war schon ein Schock. Daran kann eine Mannschaft zerbrechen. Aber wie wir das dann in Hamburg mit zwei souveränen Siegen gelöst haben, das hat mich schwer beeindruckt. Das hat sich dann in den Spielen gegen Weißenfels fortgesetzt. Auch wenn die Spiele um die deutsche Krone sicherlich qualitativ besser waren, aber das Pokalendspiel hat gezeigt, wie nah wir dem Krösus gekommen waren. Ralf hat im Kreis nach dem verlorenen Endspiel in Döbeln gesagt, dass wir zwei Mal Silber gewonnen haben. Die Mädels sollten stolz auf ihre Leistungen sein. Ich denke genauso. Schwierige Ausgangslage mit der Erfüllung der von uns gesteckten Ziele. Aber mehr auch nicht.

MFBC: Also eine Leistungssteigerung des gesamten Team zum Ende der Saison hin. Wer hat Dich den aus dem Team überrascht?

So was ist immer schwierig zu beantworten. Man möchte auch keinen vor den Kopf stoßen. Ich hatte jIMG_1123a bedauert, dass unser Defensivduo Wagner/Naumann nicht mit nach Lettland fahren konnte. Da haben wir schon zwei, die mich überrascht haben. Ob sie schon in Cesis die Erwartungen erfüllt hätten, lässt sich schwer einschätzen. Biene haben wir nach Lettland zur Kapitänin gemacht. Eine gute Entscheidung, denn damit war auch verbunden, dass sie mehr Spielzeiten bekommt als die Jahre zuvor. Ralf hat ihr mal nach einem schwachen Spiel des gesamten Teams entgegen gehalten, dass sein Kapitän zuletzt von Bord muss. Dieses Vertrauen in guten wie in schlechten Phasen hat ihr das nötige Selbstvertrauen für ihr Spiel eingeflößt. Und sie hat die Mannschaft souverän durch alle Höhe und Tiefe manövriert. Laura hat einen gewaltigen Sprung gemacht, dass es selbst Simon Brechbühler aufgefallen ist. Sie Defensiv spielen zu lassen, mussten wir uns erst von Susann und Sophie einreden lassen. Mit Julia Bran haben wir zudem eine tolle Torfrau neben Alexandra Nickel aufbieten können. Sie hat in der laufenden Saison immer ihre Leistung abgerufen, was manchmal in den Herrenspielen nicht einfach war.

MFBC: Dazu kommen sicherlich noch weitere junge Spielerinnen?

Es ist halt schwierig hier die richtige Antwort auf die Überraschung der Saison zu geben. Die Alten sind halt da und bringen ihre Leistung wie eben Lena-Marie Lübker, Stefanie Reinhardt, Anne-Marie Mietz und Daniela Kolbe oder Lisa Glaß. Aber wir haben eben neben Julia noch mit Sarah Hecht, Charlotte Rüssel, Vanessa Weikum und Anna Brauckmann junge Spielerinnen die zur U-19 Weltmeisterschaft waren. Hier wollen wir die gute Arbeit von Ulrike Czerny und Detlef Stötzner fortsetzen. Die Mannschaft befindet sich weiter im Wandel.

MFBC: Was heißt das für die kommende Saison?

Das heißt, dass Ralf und ich wieder ein Jahr dranhängen werden. Natürlich verschleißt man mit der Zeit. Deshalb hatten wir letztes Jahr überlegt, den Trainerjob an den Nagel zu hängen. Aber die Teilnahme am Europapokal und der Neuaufbau der Mannschaft haben schon gelockt. Jetzt geht dieser Neuaufbau weiter und wir bekommen an der Trainerfront Verstärkung. Alexandra „Ali“ Nickel wird diese Verstärkung sein. Sie hat schon drei Mal an der Bande den Co-Trainer gegeben. Wir schätzen die guten Analysen und ihren Zugang zu den Spielerinnen auf der Bank. Und unsere Physio-Tante Aileen-Beatrice Wagner macht auch weiter. Da sind wir anscheinend etwas besser als die Herren aufgestellt.

MFBC: Die Übungsleiter bleiben und die Spielerinnen gehen? Oder was wird im Kader passieren?

Ali wird sicherlich nicht mehr unser Tor hüten. Dafür wird eine neue Torfrau kommen. Dazu eine weitere Spielerin aus Sachsen. Wenn die Unterschriften unter den Verträgen anfangen zu trocknen, wird es sicherlich eine Meldung geben. Ansonsten bleibt der Kader im Wesentlichen zusammen, auch wenn Lisa etwas mehr Zeit für andere Dinge im kommenden Jahr benötigt. Die eine oder andere Spielerin wird sich hoffentlich weiter entwickeln. Wir hoffen, dass mit Wiebke Richter eine weitere Nachwuchsspielerin schnell den Anschluss

schafft. Mit ihr und Emely Berger sind zwei weitere sehr junge Spielerinnen im Kader. Also der schon angesprochene Wandel geht peu a peu weiter. Und dann kann man auch mal sagen, dass junge Mütter zurück ins Team drängen. Da haben wir gute Erfahrungen gemacht. Sonja hat schon ihre neuen Stöcke bestellt. Sie will zurück und ist sicherlich im Zeichen des Wandels wie ein Neuzugang.

MFBC: Wird das Ende der Übergangszeit damit eingeläutet?

Wir TrUnbenannt1ainer sind uns einig, dass wir mehr wollen als die letzte Saison. Dabei hoffen wir, dass sich Weißenfels um die Ausrichtung des Europapokals bemüht und auch den Zuschlag bekommt. Da das Ausrichterland zwei Teams stellen kann, hoffen wir auf eine Nominierung in diesem Fall durch Floorball Deutschland. Und es soll nicht wieder so lange Zeit vergehen, bis wir einen Pokal hochstemmen können. Aber dazu bedarf es einiges an Trainingsfleiß und wieder eine stoische Ruhe in der Verbandsliga der Herren. Niederlagen helfen lernen. Und wir wollen viel lernen und diesmal auch Punkte sammeln. Ja, das Erreichen des Finales um die Deutsche Meisterschaft und der Endrunde im Pokal stehen wieder auf der Agenda. Das klingt nach weiter so wie letztes Jahr. Aber der Wunsch nach einem Pokal ist da. Die Mannschaft wird sich entwickeln und damit die Gier nach dem Pott, wie es immer mal fußballorientierte Mannschaften auszudrücken pflegen.

MFBC: Was passiert ansonsten an der Damenfront? Eine Bundesliga ist wohl nicht in Sicht?

Ich denke, da ist Ralf sicherlich der bessere Ansprechpartner. Aber wenn man sieht, dass in Deutschland ca. 12 – 15 Damenteams spielen könnten, hat sich doch in den letzten Jahren einiges getan. Natürlich ist das Leistungsniveau breit gefächert und einige Team kämen nur als Spielgemeinschaft zustande. Wir denken, dass eine Damenliga allen Teams weiter helfen könnte. Dazu bedarf es sicherlich auch der Unterstützung von Verbandsseite. Die Finanzen spielen immer wieder eine große Rolle. Oftmals werden die Mädels im Verein noch stiefmütterlich behandelt. Und nur wenn man sich im Wettkampf mit den besten Teams misst, kann man sich weiter entwickeln. Hamburg zeigt jedes Jahr wie es Schritt für Schritt aufholt. In Dümpten entwickelt sich der künftige Deutsche Meister, denn das Potential ist da aber es fehlt doch noch einiges im Vergleich zu den beiden großen Teams. Das hat auch unser Halbfinalspiel im Pokal gegen die Füchsinnen gezeigt. Mit einer doch mehr als überschaubaren Leistung konnten wir souverän ins Finale einziehen. Um sich zu entwickeln, reicht die Westliga im Großfeld und das Kleinfeldgeschiebe nicht aus. Ansonsten kann man nur hoffen, dass die Teams länger zusammen bleiben und auch Großfeld spielen. Und ohne guten Damenspielbetrieb in Deutschland könnte die letzte WM-Platzierung Strohfeuer bleiben.

MFBC: Hast Du einen sportlichen Wunsch für die kommende Saison?

Eigentlich viele Wünsche. Ich verrate mal ein Geheimnis. Ralfs Wunsch ist die Doppelmeisterschaft bei den Damen und Herren. Und natürlich das Double. Ich hatte es schon zu Anfang gesagt, wir wollen uns an den Besten orientieren. Das sind die aus der verbotenen Stadt. Vielleicht gelingt es uns als MFBC wieder ein internationales Vorbereitungsturnier zu kreieren. Mit der sanierten Brüderstraße haben wir eine für Floorballbedürfnisse tolle Spielstätte. Und mit der Doppelmeisterschaft sollten wir uns für die Austragung des Europapokal bewerben. Aber es waren sicherlich realistische Wünsche gefragt?

MFBC: Zum Schluss, was macht man in der trainingsfreien Zeit so?

Eigentlich müsste ich selbst mal wieder Sport treiben. Aber die jetzt vorhandene Mehrzeit vergeht auch irgendwie. Aber es ist wichtig mal wieder Abstand zu haben. Sicherlich geht es den Mädels auch so. Dazu steht in den nächsten Tagen die Vorbereitung der neuen Saison an. Ralf ist schon am Arbeiten. Es soll in der Vorbereitung wieder einiges anders gemacht werden. Nach so langer Zeit müssen immer mal neue Reize her. Schlimm wären die immer gleichen Trainingsreize und dazu die gleichen Ansprachen wie alle Zeit vorher. Da kann man sonst nur auf eine punktuelle Amnesie hoffen.

MFBC: Und wann ist Schluss mit trainingsfrei?

Am letzten Freitag dieses schönen Monats werden wir zum Laufen rufen, um dann mit einer kleinen Grillparty die Saison zu eröffnen. Gleich zu Beginn steht dann der International Floorball Congress in Dresden an. Wie in den letzten Jahren mit einer tollen Damenkonkurrenz. Die Tage bis zum Start sind also gezählt.

MFBC: Marcus, danke für das Interview und noch ein paar schöne sonnige Tage ohne Trainingsverpflichtungen.

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