Kanta, Koivistoinen, Flemmig, Naumann, Schönagel, Böthgen, Mühle, Weißwange. Aus der Liste der Leipziger Ausfälle zum Spiel am Samstag in Weißenfels ließe sich eine durchaus veritable Reihe zusammenbasteln. Wer nun angesichts dieser Tatsache, und der bisherigen Saisonverläufe beider Teams das Schlimmste befürchtete, sah sich am Ende getäuscht. Sicher, ein 6:12 (2:2,2:6,2:4) auf dem nackten Papier lässt sich anders interpretieren. doch es waren andere Nuancen im Leipziger Spiel (und drumherum), die Anlass zu großer Hoffnung hinsichtlich der weiteren Bundesliga-Saison 2015/2016 geben. Als Stichworte nennen wir: Leidenschaft, Disziplin, Charakter, Teamspirit, Jugend und Freude am Spiel.
21,6 Jahre! Das Durchschnittsalter unserer Starting-Six mit Lubentsov, Patzold, Luderer, Faber Ronkanen und Kretschmar. Reihe 2: Dietel, Harnisch, Hruby, Talikka und Gühlke. So stellte man sich von Beginn an dem üblichen Paßspiel der 3 Weißenfelser Reihen entgegen, wurde dabei von der Trainerbank lautstark dirigiert und korrigiert, und von den Mitspielern draußen für jede gelungene Aktion gefeiert. So muss das, und so hatte man das Angriffsspiel der Gastgeber die ersten Spielminuten unter Kontrolle, während man nach vorne die ersten feinen Nadelstiche setzen konnte. Die Führung in der 8.Minute somit verdient. Erzielt nach schicker Einzelleistung durch Jussi Talikka. Richtig gelesen, jener Jussi Talikka, der noch gegen Lilienthal wohl nicht mal Möbelwagen aus 5 Metern getroffen hätte. Weißenfels wähnte sich wohl für Momente im falschen Film, und Siede reagierte in den Augen der Schiedsrichter über. Zwei Minuten Überzahl für Leipzig, denen man das Fehlen von Kanta und Koivistoinen dann doch anmerkte. Die Gastgeber konnten sicher verteidigen. Nach geschlagenen 15 Minuten fand sie Weißenfels dann, die erste Lücke im Leipziger Defense-Block. Siede, diesmal produktiv, zum Ausgleich. Dammbruch bei Leipzig? Blockadelöser bei den Gastgebern? Nein, (noch) nicht. Im Gegenteil, Talikka setzt noch einen drauf, trocken und präzise, aus einem Freischlag heraus, erneute Führung für Leipzig (16:39min). Doch die Gastgeber waren zwischenzeitlich auch so richtig im Spiel angekommen, agierten druckvoller, agierten giftiger, und haben mit Soini die Tormaschine der Liga: Ausgleich (18:33min).
Pause, durchschnaufen…
…und Talikka zum Dritten. 22:52min waren gespielt, und wieder die Führung für Leipzig. In Szene gesetzt übrigens durch Lukas Hruby, dem man zwingend sein bestes Spiel im Leipziger Trikot bescheinigen muss. Auf der Center-Position in Reihe 2 der Taktgeber schlechthin. Ob Spielberuhiger oder Ideen-und Passlieferant in die Spitze, mit seiner Erfahrung, seiner Ballsicherheit und Spielübersicht war er am Samstag auf dieser Position voll in seinem Element. Doch zurück zum Spielverlauf, unbeirrten Gastgebern, und dem erneuten Ausgleich (Weigelt, 26:21min). Damit nähern wir uns der Mitte des Spiels, und ersten Verschleißerscheinungen in den Leipziger Reihen. Innerhalb der 29.Minute geht Weißenfels durch Soini und Händler mit 5:3 in Front. Die Leipziger Bank reagiert umgehend, bricht den sich anbahnenden Lauf der Gastgeber, ersetzt Pavel Lubentsov (nur 5 Gegentore von Weißenfels in 28 Minuten sind kein schlechter Arbeitsnachweis), durch Interimskäptn Patrick Schmidt, und Christian Faber (Knie) durch Robert Ecke. Doch ganz so fix greifen die Maßnahmen dann doch noch nicht. Böttcher muss unbedingt noch schnell das 6:3 draufpacken (30:04min). Dann aber ein paar Minuten der Ruhe, zumindest was eintragspflichtige Ereignisse im Spielprotokoll angeht. Auf dem Feld sah das anders aus. Hier hatten die Gastgeber nun die Deutungshoheit, brauchten aber bis zur 37.Spielminute, um aufs 7:3 zu stellen (Herlt). Hruby konnte eine Minute später nochmal auf Assist von Marco Gühlke auf 4:7 verkürzen, und Paul Kretschmar hatte kurze Zeit später gar das 5:7 auf der Kelle. Es hat jedoch nicht sollen sein, und mein Gott, der Paul spielt noch U17. Hätte er zu all seinen sonstigen am Samstag an den Tag gelegten Fähigkeiten nun auch noch diese notwendige Abgeklärtheit, wäre es ja fast nicht mehr zum aushalten. So hieß es eben zur Drittelpause 4:8, weil Händler in der letzten Minute des Drittels für die Gastgeber noch erhöhte.
Auch zu Beginn des letzten Drittels waren die Leipziger wach, die Akkus nochmal kurzzeitig aufgeladen. So dauerte es bis zur 47.Minute, ehe erneut Weigelt auf 9:4 stellen konnte. Keine Minute später dann der erste große Auftritt von Marco Gühlke im letzten Drittel. Mal eben Hoffmann den Ball geklaut, im Stile eines alten Hasen den Lars Schauer im Kasten der Gastgeber umkurvt, und seelenruhig eingeschoben, 9:5. Obwohl, das mit dem alten Hasen ziehen wir hiermit zurück. Der alte Hase fängt in diesen Situationen auch gerne mal an nachzudenken. Hier obsiegte eher die jugendliche rotzfreche Unbekümmertheit. Die Gastgeber bauten nichtsdestotrotz nachfolgend noch ein Stück aus. Naumanen machts in abgeklärter Klassemanier zweistellig, und Herlt verwandelt ein Leipziger Geschenk zum 11:5. Hiernach entwickelte sich peu a peu eine innige Beziehung zwischen Luderer hier, und Händler da. Doch ehe die Unparteiischen beide mal zum Abkühlen schickten, folgte Gühlke 2.0. Aus dem Slot spielte der Kerl den Ball mit der Hacke hinter dem Rücken raus auf rechts zu Talikka, der die außergewöhnliche Vorlage mit seinem 4.Treffer veredelte. Ein breites Grinsen allenthalben auf der Leipziger Bank war die berechtigte Folge. Das sieht man so wahrlich nicht alle Tage. Dann also Händler und Luderer in die Kühlbox, wobei Luderer laut Spielprotokoll im Saisonmanager wohl eher zum Spass dort rum saß. Geschenkt! Geschenkt auch noch das 12:6 durch Soini, und das im wortwörtlichen Sinn. Und zum Schluß kam dann noch Felix Linke zu seinen ersten etwas längeren Bundesliga-Einsätzen, ohne dabei groß etwas falsch gemacht zu haben.
Ende.
Fazit: Dieser Auftritt war sehr stimmig. Natürlich muss man die Gegentore 11 und 12 nicht ganz so dramatisch herschenken. Natürlich sind auch erfolgreiche Bauerntricks auf Seiten der Gastgeber ein bissl doof. Doch genauso natürlich ist, das man mit zunehmenden Spielverlauf im Spiel 2 gegen 3 Reihen im Weißenfelser Kombinationsspiel weich in der Birne (die saloppe Formulierung sei verziehen) und in den Beinen wird. Und genau an dieser Stelle offenbarte sich die charakterliche Qualität der Leipziger an diesem Tag. Zu keiner Zeit ließ man sich in einen Abwärtsstrudel ziehen. Egal was Kopf und Beine davon hielten, man fightete mit- und füreinander, und ganz nebenbei zeigten sich dem Trainergespann interessante personelle und besetzungstechnische Alternativen auf. So musste Marco Gühlke diese Saison lange auf seine Chance warten, und diese Chance nutzte er am Samstag à la bonne heure. Die Best-Player-Ehrung am Ende eine Verbeugung vor der Jugend.
Trotz allem fuhr man natürlich letztlich ohne Punkte heim. Etwas anderes konnte man im Vorfeld aber auch nicht erwarten. Doch die Punkte werden auch als Folge aus dieser Partie unzweifelhaft kommen, und das bereits am kommenden Sonntag gegen den VfL Red Hocks Kaufering. Denn das Leipziger Team vom Samstag bewies einen viel zu lebhaften, freudbetonten und charakterlich gefestigten Zusammenhalt, als das da groß was schiefgehen könnte. Genau so weitermachen, Jungs!
Und zum Schluss in eigener Sache:
Im Vorfeld der Partie erhielt der Mitteldeutsche Floorballclub seitens eines Verantwortlichen des UHC Weißenfels eine Mail mit folgendem Inhalt:
„aus entsprechenden Erfahrungen in der Vergangenheit haben wir all unsere Spiele in der neuen Saison in unseren beiden Spielhallen ohne Tröten, Trompeten und Megaphone der Fans beider Mannschaften ausgetragen.Der Stimmung hat dies kein Abbruch getan und alle Spielsignale wurden von allen Spielern und Spielleitern topp verstanden. Wir bitten Dich, dies den MFBC-Fans mitzuteilen und diese „Begleitgeräte“ zu Hause zu lassen. Ansonsten für Samstag ein herzliches Willkommen und uns allen ein faires und attraktives Spiel.“
Dem wurde seitens der MFBC-Fans Rechnung getragen, und es wurden alle Begleitgeräte daheim gelassen, die in irgendeiner Form geeignet erscheinen, der heimeligen Ruhe rund um die Partie und der Kommunikation zwischen allen Beteiligten abträglich zu sein.
Mit großer Verwunderung musste seitens der MFBC-Delegation nun allerdings registriert werden, das aus dem Block der einheimischen Fans durchaus das ganze Spiel über liebliche Tröten-Klänge erklangen. Damit entpuppte sich das Weißenfelser Ansinnen schlussletztendlich als plumpe Retourkutsche auf den nie endenden Schmerz rund um das verlorene Damenfinale im Mai diesen Jahres. Der Mitteldeutsche Floorballclub fordert an dieser Stelle die Weißenfelser Verantwortlichen auf, von derartigen Mails Abstand zu nehmen. Der Mitteldeutsche Floorballclub und
seine Anhänger fühlen sich bei künftigen Partien in Weißenfels nicht mehr an entsprechende Ansinnen gebunden.
cs