Das große Meister-Interview mit Headcoach Ralf Kühne

Endlich ist es ihm und seinem Staff wieder gelungen sich und seinen Damen die Floorballkrone aufzusetzen. In den drei an Spannung kaum zu überbietenden Partien gegen die Erzrivalinnen vom UHC Weißenfels zog Ralf Kühne nach den zahlreichen sportlichen Rückschlägen zum richtigen Zeitpunkt das richtige Ass aus dem richtigen Ärmel. Jetzt lassen wir ihn mal ausführlich zu Wort kommen.

PD: Hallo Ralf – eine gefühlte Ewigkeit musstet ihr als Team sportliche Rückschläge einstecken, um dann auf den Tag genau 5 Jahre nach der letzten Meisterschaft endlich wieder den Siegerpokal in die Arme schließen und über die Köpfe recken zu können. Wenige Tage sind nun vergangen und die Frage brennt: Wie fühlt es sich an Trainer einer vergoldeten Mannschaft zu sein, so einen Erfolg kann einem bekanntlich keiner mehr nehmen und entschädigen tut er zudem ebenfalls?!

RK: Ich bin in erster Linie vor allem stolz auf die Mädels. Gerade wie sie sich über die gesamte Saison präsentiert haben. Wie sie auch die herbe Schlappe im Pokalfinale weggesteckt haben. Natürlich ist auch etwas Genugtuung dabei, am Ende des Tages den Meisterpokal umarmen zu dürfen. Und den tatsächlich mal in die Hand nehmen zu dürfen, war nicht so leicht. Ich muss mich unbedingt bei meinen Co-Trainern Claudia Mende und Marcus Linke sowie der Einfrau-Medi-Abteilung Aileen Wagner bedanken. Wir waren ein wunderschönes Kleeblatt. Froh bin ich einfach, dass meine Frau viel Verständnis aufbringt, für die viele Zeit die man einfach auch in unserer Randsportart für eine solche Aufgabe investieren muss. Danke.

PD: Beginnen wir mit dem Sportlichen. In dieser Saison, der die Überschrift „Bundesliga“ genommen wurde, gab es viele Höhen und Tiefen. Insbesondere gegen den UHC gab es erstmals weder in der regulären Saison noch im Pokal einen Sieg zu verbuchen. Im Meisterschaftsfinale dann die beiden Paukenschläge. Als „Mauertaktik“ und „Antifloorball“ wurde die Art und Weise verschrien. Verrate uns doch, ob du dich in den letzten Wochen den Biografien italienischer Fußballer oder der des Taktikmoguls Pep Guardiola gewidmet hattest.

RK: Man muss sich immer wieder hinterfragen. Das haben wir im Trainerstab getan. Die 1:6 Niederlage im Pokalfinale ging wegen der falschen taktischen Vorgabe auf meine Kappe. Dann haben wir uns auch gefragt, weshalb wir in den letztjährigen Finalserien und in der gesamten Saison 2014/15 (4 Spiele, Anm. d. Verf.) am Ende immer unterlegen waren. Wir mussten schlichtweg etwas verändern. Nichts lag näher, als sich dabei im eigenen Lager Rat zu suchen. Lutz Gahlert hatte, einmal gemeinsam mit Silke Unger, die letzten beiden Jahre die UHC-Herren bespielt. Ein Titel und eine Niederlage erst im Penaltyschiessen sind ein beredtes Zeugnis einer Ahnung wie es geht. Es ging darum einen eigenen Spielplan durchzubringen. Und wenn ich mir die Spiele nochmals ansehe, dann sehe ich zudem auch viele gute Offensivaktionen auf unserer Seite. Das Motto hieß „Meisterschaft über alles“ und nicht „in Schönheit sterben“. Wir haben in den letzten Jahren für meinen Geschmack zu oft Spalier für die Dauerjubler von der Saale gestanden.

PD: Der Erfolg gibt euch am Ende Recht. Die mannschaftliche Geschlossenheit, die ihr über alle drei Partien aufrechterhalten konntet, war beeindruckend. Jede Spielerin war für die andere bereit auszuhelfen und einzuspringen. Ab wann hattest du das Gefühl, dass es dieses Mal gelingen sollte?

RK: Zuerst einmal muss ich kritisch einschätzen, dass der Matchplan an beiden Tagen nicht voll aufgegangen ist. Wir wollten dem UHC wenige Chancen für Tore gewähren. Das wurde bis auf die beiden groben Schnitzer im Samstagspiel gut u006mgesetzt und eigentlich wollten wir schon Samstag den Sack zumachen. Die zwei eklatanten Individualfehler von Sophie und Anni brachten uns so unnötig in Rückstand. Solche Geschenke nimmt eine Laura Neumann dankend an. Wir konnten aber ansonsten Laura und auch Magdalena Tauchlitz als Taktgeber weitestgehend aus dem Spiel nehmen. Am Samstag (Spiel 2, Anm. d. Verf.) hatten wir zudem bessere Einschussmöglichkeiten als im dritten Match. Wir begannen viel zu nervös. Erst im letzten Drittel hatten wir den richtigen Rhythmus gefunden. Im Entscheidungsspiel traten wir von Beginn an entschlossener auf. Das vorgegebene Konzept wurde mit beeindruckend hoher Disziplin umgesetzt. Selbst Anne-Marie Mietz ordnete sich dem Gesamtkonzept mal von Beginn an unter. Ich war mir bis zum Ende aber nicht sicher, ob es reichen wird. Vielleicht als wir die letzte Unterzahl mit etwas Glück überstanden hatten, habe ich mir gewünscht, dass es noch einen eigenen entscheidenden Abschluss geben sollte … und er kam. So zu verlieren tut immer weh. Auf Föhr (Pokalfinale 13/14, Anm. d. Verf.) hatte es uns in der Overtime erwischt, nachdem uns vorher in der regulären Spielzeit auch ein Tor aberkannt wurde. C’est la vie.

PD: Die Spiele 1 und 2 verliefen ja quasi spiegelverkehrt – ein einziges Tor gab am Ende jeweils den Ausschlag für ein drittes Entscheidungsspiel. Anders als in der Vergangenheit hatte man nie das Gefühl deine Mädels würden bei einem Rückschlag einbrechen. Musstet ihr als Trainer überhaupt großartig aktiv in das Spiel eurer Damen eingreifen?

RK: Wir haben nach Chemnitz (Pokalfinale 14/15, Anm. d. Verf.) andere Trainingsinhalte angeboten. Diese wurde immer und immer wieder abgerufen – Wiederholung war das Motto. Vielleicht war es etwas langweilig im Training, immer das Gleiche zu üben. Dabei musste der Spagat zwischen Spieldominanz, wie gegen Hamburg im Halbfinale, und der einer anderen taktischen Ausrichtung für die Finalserie gelingen. In der Kabine ging es letztendlich ohne den sonstigen Schnickschnack und dazu ziemlich ruhig zu. Arbeitsatmosphäre eben. Ansonsten wurden an der Bank nur noch kleine Hinweise gegeben. Und den Frust bei einigen individuellen Fehlern habe ich einfach runtergeschluckt.

PD: Nun zur entscheidenden Szene, die Frage zur Meisterschützin und Tochter Sophie muss einfach gestellt werden. Am Samstag noch unglücklich agierend, schien sich Sophie für Sonntag etwas ganz besonderes vorgenommen zu haben. Mit Verlaub, aber ich möchte behaupten sie noch nie so schnell, wie in den letzten 5 Spielsekunden der Finalserie, laufen gesehen zu haben. In der Halle verstummten plötzlich alle Trommelschläge, nur noch ein Kreischen von den Rängen war zu vernehmen, Sophie schien gegen die Zeit anzulaufen. Was ging in dir persönlich in dieser Situation durch den Kopf? War es vielleicht sogar genauso beim sonntäglichen Familienfrühstück abgesprochen wurden, immerhin war es Sophies letzter Auftritt für den MFBC, sie wird ihre Karriere beenden?

RK: Eine Überlegung war tatsächlich, Sophie im Sturm zu bringen. Sie hatte diese Saison schon einige Treffer abgeliefert. Sie hat hingegen nur gemeint, sie würde in so einem Spiel nicht treffen. Allerdings war sie bei den Abschlusshandlungen im Training eine relativ sichere Bank. In besagter Situation habe ich zwar hingesehen, war aber eigentlich mit den Gedanken schon bei der Ansprache für die Overtime. Sie hat’s aber drauf, wie man sehen konnte. Im Übrigen habe ich sie schon schneller laufen sehen. Aber auch dort konnte sie ihren Trainer nur von hinten bestaunen.

PD: Was folgte, waren bange Minuten des Wartens – reguläres oder irreguläres Tor?! Die Hallensirene ging ob der Jubelorgien vollends unter, Grimmaer und Weißenfelser Anhang stritten sich lautstark über den Tisch des Schiedsgerichtes hinweg, Beweisvideos wurden den Unparteiischen vorgehalten. Dem Moment, in dem dann der Pfiff und ein Handzeichen in Richtung Mittelpunkt den MFBC zum Meister machte, folgten Kontrollverluste, Tränen und pure Freude – und Protestankündigungen der Gegner. Wie hast du es aus deiner Position wahrgenommen und wie gefällt dir der neue Goldpokal von Floorball Deutschland?

RK: Ich war mir sicher, dass der Treffer regulär war. Aber letztendlich entscheidet ohnehin das Schiedsrichtergespann. Bei einer Annullierung hätten wir weiter spielen müssen. Das wäre auch für uns ein Vabanquespiel geworden. So ist es doch deutlich besser gewesen. Wie der Pokal aussieht, ist doch völlig egal. Hauptsache er steht mal wieder in unserer MFBC-Vitrine. 

PD: Nach so einem Teamerfolg sollte man zwar Fragen zu Einzelpersonen vermeiden, dennoch interessiert es, was ihr mit Torhüterin Alexandra Nickel und den Youngstern Rüssel und Weikum gemacht habt? Es schien fast so als hätten sie ihr Leben lang nichts anderes gemacht als Finalspiele zu bestreiten.

RK: Alle drei hatten in der Saison auch so ihre persönlichen Hänger. Aber es war aus heutiger Sicht ein wirklich lichter Moment, als wir Ali vor drei Jahren zum Torehüten überredeten. Sie ist stets mit ihren Aufgaben gewachsen. Das Festhalten am Goalie, ihm das unbedingte Vertrauen geben – auch wenn es mal nicht so richtig läuft, ist dabei sehr wichtig. Ali hat auch das Wissen geholfen, dass mit Daniela Thomas die ehemalige Nummer 1 noch in der Hinterhand ist. Das gibt auch ein Stück der notwendigen Sicherheit. Und die beiden waren auch ein Team. Die Youngster, dazu kommt auch noch Sarah Hecht, haben sich durch das Training und dem permanenten Messen mit den Topspielerinnen über die letzten zwei Jahren selbst zu diesem Leistungsvermögen gepusht. Es war sicherlich gut, dass wir Vanessa im Samstagspiel mal pausieren ließen. Das hat sie so richtig heiß gemacht, zu zeigen, was sie drauf hat. Und Lotte ist nicht mehr wegzudenken, als Allroundwaffe kann sie zudem auch eine richtig gute Verteidigerin geben.

PD: Der eigene Anhang schien die altbekannte Monotonie in der Weißenfelser Westhalle durch melodisch-gesangliche Topleistungen zum Heimspiel machen zu wollen. Du bist ja bekanntlich mit einer dicken Haut gesegnet, gab es dennoch Gänsehautmomente? Welchen Einfluss hatten aus deiner Sicht die Fans an diesen Tagen?

RK: Die Mädels hatten Gänsehaut. Eine solche Unterstützung hatte manchmal in der Vergangenheit auswärts gefehlt. Es trieb die Mädels an. Gerade wenn man etwas unter Druck ist oder in Unterzahl agieren muss. Für diese lautstarke Unterstützung sage ich auch im Namen der Mannschaft nochmals Danke. Auch wenn man an der Bank, bei dem Höllenlärm aus beiden Fanlagern, seine Stimme etwas erheben musste. Selbst bekomme ich Gänsehaut, wenn die Nationalhymne gespielt wird, dann beginnt die Zeit, in der einem die Quittung für die geleistete Arbeit der gesamten Saison präsentiert wird.

PD: Woher nimmst du nur immer wieder diese Kraft neue Anläufe zu nehmen? Zu Saisonbeginn machtest du jedenfalls den Eindruck am Ende mit deinem Latein zu sein und den Fokus nach vielen Jahren verstärkt auf die Familie legen zu wollen. Die Lust am Floorball schien verflogen und so legtest du auch Anfang des Jahres das MFBC Präsidentenamt nieder. Hat dir diese Entscheidung die nötige Kraft für den Husarenritt gegeben?

RK: Ich habe mich tatsächlich ausgebrannt gefühlt und hätte sicherlich auch das Traineramt aufgegeben, wenn es nicht zur Unzeit kurz vor der Saison gewesen wäre. Die Veränderungen im MFBC-Vorstand waren schon länger geplant. Es muss immer mal zu Veränderungen kommen. Gerade den jüngeren Mitgliedern wollte ich mehr die Verantwortung übertragen, damit einfach die schon bestehende Verkrustung aufgebrochen werden konnte. Neue Leute, neue Ideen, neuer Schwung, neue Helden. Die können das und schaffen das. Ich kann mich jetzt ganz auf die Aufgaben im Damenbereich konzentrieren. Wir haben hier auch viel zu tun, gerade im weiblichen Nachwuchsbereich. Hier liegt viel Verantwortung auf den Schultern von Ulrike Czerny und Detlef Stötzner. Sie machen eine tolle Arbeit und hier müssen sich Marcus und ich in der Zukunft auch etwas mehr einbringen.

PD: Am Ende unseres Interviews stellen sich noch richtungsweisende Fragen. Wie soll es denn nun weitergehen? Hast du dir und deinem Team schon einen neuen 5-Jahres-Plan auferlegt? Was wird sich im Kader tun? Steht Europa als neues Ziel an? Gerüchten zu Folge (Fotos zeigen dich und Marcus am Abend nach dem Finalsieg am Handy vertieft) gab es auch ein Angebot vom Erzrivalen, mit finnischen Trainern scheinen die ja gegen den MFBC nicht allzu gut zu fahren. Dementi?

RK: Mal in Weißenfels ein Team zu trainieren wäre sicherlich interessant. In Weißenfels wird s11136778_846387655396929_2029618134358654761_no großartige Floorballarbeit geleistet. Der UHC ist der Vorzeigeverein in unserer Sportart, von dem man sich vieles absehen und annehmen kann. Manchmal schaue ich schon etwas neidisch in Richtung Sachsen-Anhalt, ob der dortigen Möglichkeiten und Rahmenbedingungen. Aber Marcus und ich werden zu Hause in Grimma weiter machen, obwohl es eigentlich die letzte Saison sein sollte. Aber es werden einige junge Spielerinnen zu uns stoßen. Diese zu begleiten ist schon recht reizvoll. Und die Alten sind mir doch zu sehr ans Herz gewachsen. Meine Frau hat zudem meine Entscheidung mit beeinflusst, weil ich es mir reiflich überlegen sollte, dass aufzugeben, was mir wirklich Spaß macht. Zu Europa sagen wir ja. Wir halten es für die Verantwortung eines Deutschen Meisters auch die EC-Qualifikation zu spielen. Vielleicht überdenkt die eine oder andere Spielerin dadurch ihren bereits avisierten Rücktritt. Ansonsten werden wir wohl wieder viel überlegen, welchen Spielbetrieb wir angehen sollen oder vielmehr müssen. Die Entwicklung im Damenbereich ist wenig befriedigend. Also überlegen wir in kürzeren Zeiträumen, wie wir weiter machen werden.

PD: Zu guter Letzt möchte ich dir nun gern das Wort überlassen. Sag was du schon immer mal loswerden wolltest.

RK: Es gäbe sicherlich so einiges zu sagen, was unseren Sport und unseren Verband betrifft. Aber unter dem Eindruck des letzten Wochenendes würde ich gern etwas zu den subjektiven Wahrnehmungen der Finalserie sagen. Ich habe mit Schmunzeln einige Beiträge zur Finalserie zwischen Weißenfels und uns gelesen. Dabei muss ich zuerst eine Lanze für die beiden Schiedsrichterpaare brechen. Sie haben in der gesamten Serie drei souveräne Vorstellungen abgeliefert. Ansonsten hat jeder so seine eigene Auffassung zu den drei Spielen, insbesondere zum entscheidenden Match. Ich musste deshalb schmunzeln, weil hier wenig zwingender Ballbesitz mit totaler Überlegenheit gleichgesetzt wird. Glück hatten wir zwar auch in einigen Szenen, aber genauso auch die Cats. Am Ende haben beide Teams versucht, ihre Spielphilosophie durchzubringen – es hatte etwas von Schach spielen. Dabei war für mich überraschend, dass Weißenfels dieses Mal nicht in der Lage war, auf unsere Spielweise eine passende Antwort zu finden. Für mich waren es trotz allem drei spannende Spiele zwischen zwei gleichwertigen Mannschaften und jede hätte am Ende den Titel holen können. Aber wenn es dann dem eigenen Wohlbefinden dient, kann man auch gern unseren Sieg in der Finalserie als unverdient und nur glücklich klassifizieren. Andererseits könnte auch in der Niederlage die Leistung des anderen Teams respektiert und anerkannt werden. Aber man kann sich auch weiter beweinen, wie schrecklich ungerecht das Floorballleben manchmal scheint. Aber selbst das große Weißenfels kann nicht immer alle Pokale abräumen. Schade, aber anscheinend muss man in Weißenfels wieder lernen, auch mit Niederlagen umzugehen. Was bleibt? Dass ich stolz darauf bin, wie meine Mannschaft den ausgedachten Matchplan umgesetzt hat. Und nur das zählt im Kontext aller Expertenmeinungen.

Interview (P. Dietel – R. Kühne) vom 22.04.2015

 

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